Photo © Beatrice Schumacher, Body and Freedom Festival 2018
Anja Plonka (*1985) studierte Fotografie und Video an der Fachhochschule Dortmund und der École Nationale Supérieure de la Photographie in Arles. Im forschenden Handeln untersucht sie transdisziplinäre Fragestellungen die sich in unterschiedlichen Medien zeigen. Ihre Arbeiten entstehen ausgehend vom konkreten Ort, dessen sozialen und geschichtlichen Räumen und Einschreibungen. Auf der Suche nach dem radikalen, poetischen, stillen und anarchischen eigenen Raum untersucht sie das Wechselverhältnis von Körper und seinen Bildern. In ihren Performances interessiert sie sich für einen Körper zwischen Ekstase und Skulptur. Sie ist Teil des Aktions Labors PAErsche Köln, das sich regelmäßig im öffentlichen Raum innerhalb von Open Source Performances begegnet. Das Kollektiv ZOO, dass Sie 2015 mitbegründete, erforscht ebenfalls an alltäglichen Orten wie zuletzt einem Fitness Studio den Körper als Ort des Politischen. Für das Body and Freedom Festival untersucht Anja Plonka in einer körperaneignenden Performance mit Spiegeln die Entstehung von Körperbildern im Blick. Sie begibt sich in ein Spiel mit verknüpften Machtverhältnissen, Blickwechseln und Transformation.
oben: 23/08, Photos 1-4 © Beatrice Schumacher, 5/6 © reto-cortesi.com, 7 © Roland Goertler
unten: 25/08, Photos 1-3 © Roland Goertler, 4-6 © Horst Jerina
How to free myself from the male gaze –
1988 ein Kind sitzt auf dem Boden der Münchner Innenstadt, mitten im Getümmel der Fußgängerzone. Es verweigert sich dem Lauf, dem Treiben, es will die Zeit zum Anhalten bringen, setzt sich für einen längeren Moment in den Lauf von allem. 2018 auf der Rathausbrücke in Zürich dasselbe Bild. Das Kind ist 30 Jahre älter geworden. Mit nacktem Po sitzt es auf den nasskalten Betonfliesen der Brücke, welche eigentlich eher ein Platz ist. Wie fühlt sich dieser Körper im Moment? Der Nacken ist zu, der Kiefer verspannt. Sanftes ausstreichen über die Halswirbel bis hoch über den Kopf. Die Haare berühren den Boden, ganz sanft, das Bild auf dem Kopf stehend, reihen sich die Zuschauer*innen um das Kind herum. Durchbrechend rückwärts mit dem Po auf die Menge zu, suchend, sinnlich die Haare spielend über den Boden fahrend. Freudig sich über den Boden rollend. Wo bin ich ? – Neupositionierung – Kontrolle und wieder auf beiden Beinen aufrecht stehend. Schnell eine Achse durch die Zuschauer*innen ziehend. Was verbergen sie hinter sich auf der andern Seite dieses Platzes? Struktur suchend, neugierig den Platz untersuchend, auf die Brüstung zum Limmat rennend. Ein Zuschauer steht mir gegenüber, ich tauche durch die Beine durch, weiter zum Brunnen. Trinken, trinken, den Mund geöffnet sprudelt das Wasser in den Körper ein. Wieviel kann er fassen? Das Schlucken fällt schwer. Die Grenzen von einfließen und ausfließen verschwimmen. Mein Körper ist ein Brunnen und der Brunnen ein Körper. Kann ich utopisch handeln und so neue Realitäten schaffen? Wieder auf die Brüstung zum Fluss Limmat. Den Blick auf das schöne Stadtpanorama der Stadt Zürich gerichtet. Der 33 jährige weibliche Körper des ehemaligen Kindes wird zur Statue. Sie blickt mit geöffnetem Mund in Richtung einer Kirche. Die Statue befindet sich in einem Brunnen und pinkelt konventionsgerecht, wie es Statuen in Brunnen tun in den Limmat. Das Bild löst sich langsam auf, der Körper springt aus dem Bild in den Fluß und schwimmt in die Ferne.
paersche.org/artists/anja-plonka
Photo © Evamaria Schaller, Actus IV Lüttich 2015